TERRA-Online / Gymnasium


Anlagen des Eurotunnels


Tunnelsystem, Terminals, Kontrollzentren



Tunnelaufbau (Klett)


Tunnelsystem

Das Kernstück der Gesamtanlage Eurotunnel bilden die beiden Hauptröhren für den Zugverkehr. Beide Tunnel haben jeweils eine Gesamtlänge von 50,5 km und einen Durchmesser von je 7,6 m. Zwischen ihnen verläuft als dritte, eigenständige Röhre der Servicetunnel mit einen Durchmesser von 4,8 m. Alle 345 m ist dieser mit beiden Haupttunneln verbunden, damit er seiner Funktion als Rettungs- und Fluchtweg sowie andererseits als Wartungstunnel gerecht wird. Alle 200 m sind die Röhren zusätzlich für den Luftaustausch mit Druckausgleichsrohren untereinander verbunden, da ein aerodynamischer Austausch bei der Druckwelle durch die Geschwindigkeit der Züge gewähleistet werden muss.
Für einen störungsfreien Betrieb sorgen zusätzlich Druckausgleichsstollen, Be- und Entlüftungsrohre, Drainagesysteme sowie Brandmeldeeinrichtungen. Die Tunnel wurden infrastrukturell mit Gleis- und Signalanlagen sowie einer Oberleitung für die Energieversorgung für den Bahnbetrieb ausgestattet. Insgesamt wurden 1.500 km Strom- und Signalleitungen verlegt. 160 km Wasserleitungen zu Kühl- und Brandschutzzwecken fanden Verwendung im gesamten Tunnelsystem. Gekühltes Wasser zirkuliert kontinuierlich durch ein Kühlrohrsystem um den Tunnel bei einer Temperatur von 25 °C zu akklimatisieren. Damit niemals völlige Dunkelheit im Tunnel herrscht, wurde dieser mit einer Hauptbeleuchtung sowie einer Führungsbeleuchtung über Kopfhöhe ausgestattet.
Der Shuttlezug verkehrt lediglich mit einer Maximalgeschwindigkeit von 130 km/h, der Hochgeschwindigkeits-Reisezug Eurostar jedoch mit der höchst möglichen Geschwindigkeit von 200 km/h. Daher mussten die Gleisanlagen zusätzlich mit einer Lastverteilungsplatte ausgestattet werden, auf der die einzelnen Schienenstränge elatisch gelagert sind. Vibrationshemmende Gummischuhe fangen zusätzlich die Schwingungen und Erschütterungen ab, so dass der Hochgeschwindigkeitsverkehr reibungslos gewährleistet werden kann.
Der Servicetunnel kann von bereiften, emissionsarmen Rettungs- und Wartungsfahzeugen mit Dieselantrieb befahren werden. Es wurden Fahrzeuge – sog. Service Tunnel Transportation System Vehicles (STTS) – für den Eurotunnel konzipiert. Neben der Selbststeuerung besteht die Möglichkeit, die Fahrzeuge extern über ein elektronisches Leitsystem zu bewegen. Es können sich gleichzeitig zwei verschiedene Wagen nebeneinander in unterschiedlichen Richtungen mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h im Servicetunnel bewegen. Von den 24 zur Verfügung stehenden STTS können je nach Aufbau verschiedene Aufgaben übernommen werden: Krankentransporte und Erste Hilfe, Wartungsdienste, Feuerwehreinsätze, Kontrollaufgaben.



Die Tunnelanlagen (Klett)

Damit die Züge die Fahrseiten wechseln können wurden zwei Kreuzungspunkte (sog. "Crossover") in das Tunnelsystem integriert.
Alle drei Röhren wurden aus vorgefertigten Stahlbetonsegmenten errichtet. Da sich auf der britischen Seite so gut wie keine wasserführenden Spalten befinden, war hier eine wasserdichte Auskleidung der Rohtunnel nicht nötig. Auf der französischen Seite war eine wasserdichte Verschalung dagegen dringend notwendig, hier wurden zusätzliche Dichtungsmechanismen integriert. Das im gesamten Tunnel durch Fugen eintretende Sickerwasser wird in einer Entwässerungsnut aufgefangen und anschließend in das Tunneldrainagesystem im Gleisbett geleitet und abgeführt. Drei Pumpanlagen (zwei auf britischer, eine auf französischer Seite) pumpen dann das eventuell eindringende Wasser mit einer maximalen Pumpkraft von 153 l/s aus der Anlage heraus.
Eine zentrale Rolle kommt der Versorgung des Tunnels mit Frischluft zu. 144 m³ Luft pro Sekunde werden hierzu in den Servicetunnel gepumpt. Dies reicht zur Versorgung von maximal 20.000 Personen aus. Um die Luft möglichst rein zu halten, dürfen lediglich durch Elektomotoren angetriebene Züge den Tunnel nutzen.



Die Terminalanlagen - Beispiel Folkestone (Klett)


Terminals

Neben den Tunnelanlagen wurden weitere Serviceeinrichtungen geschaffen. Zu beiden Seiten der Tunnelausgänge entstanden großflächige Terminalanlagen. Auf der englischen Seite wurde als geeingneter Ort Folkestone und auf französischer Coquelles gewählt. Die Terminals dienen der Abfertigung des Güter- und Passagierverkehrs.
  1. Abfertigungsbereich für den Reiseverkehr
  2. Abfertigungsbereich für den Frachtverkehr
  3. Zahlschalter und Ticketservice
  4. Grenzkontrollen
  5. Servicebereich (Restaurants, Duty-Freebereich, Geschäftsflächen, Wechselstuben, Tankstelle, ...)
  6. Verteilungsbereich (Auf- und Abfahrtsrampen zu den Bahnsteigen mit Be- und Entladezonen)
  7. Sicherheitsbereich (Ausweichgleise für verunglückte oder in Brand geratene Züge)
  8. Wartungs- und Reparaturhalle (über 11.000 m² mit integrierter Waschanlage, operiert für alle Zugsysteme)
Das französische Terminal musste auf seiner gesamten Fläche von 476 ha durch die Lage im küstennahen Marschbereich auf einer künstlichen, 50 cm hoch aufgeschütteten Sandschicht errichtet werden, da sonst die Stabilität des Untergrundes nicht gewährleistet ist. Es beinhaltet 53 km Gleisstrecke und 36 km befestigt Straße. Die französische Bahngesellschaft SNCF hat ebenfalls einen eigenen zusätzlichen Bereich von 77,5 ha errichtet. Auf der französischen Seite ist die Anlage im Gegensatz zur britischen in zwei völlig unabhängige Terminals unterteilt, eins für die Abwicklung des Güterfrachtumschlags, das zweite für die Bewältigung des Personenverkehrs. Bereits vor der Einfahrt in den Abfertigungsbereich werden alle Fahrzeuge nach den Kategorien LKW, PKW, Busse, Caravan und Motorrad getrennt. Vor der Beladung der Züge wird and den Zahlschaltern die Gebühr für die Tunnelnutzung kassiert. Die Einrichtungen des Servicebereiches können vor den Grenz- und Sicherheitskontrollen genutzt werden, hierzu sind 450 PKW- und 100 LKW-Parkplätze vorhanden.
Nach der ca. 35-minütigen Fahrt durch den Eurotunnel verlassen alle Fahrzeuge dann in Folkstone die Shuttles über das englische Terminal. Das Folkestone-Terminal ist in gleicher Weise wie sein französisches Gegenstück konzipiert. Mit einer Gesamtfläche von nur 150 ha ist es jedoch deutlich kleiner. Auch auf englischer Seite mussten der Boden verdichtet und zusätzlich die umliegenden Hänge vor Rutschungen gesichert werden. Die Anlage beinhaltet dieselben Sektionen wie das Terminal von Couquelles. Beide Terminals sind konzipiert, um ein Gesamtverkehrsaufkommen von 3.000 Fahrzeugen zu bewältigen. Dies ist besonders wichtig, falls es zu einer Unterbrechung im Shuttle-Service kommen sollte.
Neben dem französischen Terminal Coquelles wurde auf einer Fläche von 76,5 ha die sog. "Euro-Stadt" errichtet. Sie soll sich zum überregionalen, touristischen, ökonomischen und kulturellen Magnet entwickeln. Im März 1995 wurden ein Einkaufszentrum (90.000 m²) sowie ein Kino-Grosskomplex (2.000 Sitzplätze und 12 Leinwände) eingeweiht.


Kontrollzentrum

Das Hauptkontrollzentrum des Eurotunnels liegt in Folkestone. Von hier aus werden im störungsfreien Betrieb alle Zugbewegungen, Terminalfunktionen und der gesamte Straßenverkehr geleitet. Die Kontrollstelle auf französischer Seite übernimmt nur im Notfall die Steuerung aller Systeme.
Die Steuerung der Züge sowie die Fahrplangestaltung geschehen automatisiert durch Computer. Hier werden die Daten der Geschwindigkeitsüberwachung, Zugidentifikation und Brandkontrolle ausgewertet und geprüft. So gelangen ständig mehr als 40.000 Informationen zum Rechenzentrum, die pausenlos ausgewertet werden müssen. Die Kontrollanlage muss jedoch lediglich von sechs Mitarbeitern gesteuert werden. Die Verbindung zum Bahnpersonal sowie den Zugführern erfolgt über drahtlose oder nur teilweise drahtgebundene Kommunikationssysteme. Im Ernstfall ist sogar eine automatische Steuerung des Shuttles durch das Kontrollzentrum möglich.


Verkehrsanbindung

Auf britischer Seite ist der Eurotunnels für den Straßenverkehr an die Autobahn M20 (M20 motorway) von London nach Dover angebunden. Auf französischer Seite bieten sich dem Eurotunnelreisenden die Autobahnen A16 (von Paris) und A26 als Straßenzubringer an. Die Fahrzeuge werden dann mit den speziell für den Eurotunnel-Transfer eingesetzten Shuttle-Züge zum Terminal auf der gegenüberliegenden Seite transportiert.
Der Eurotunnel bietet jedoch auch die Verbindung für die Hochgeschwindigkeitsstrecke London (Waterloo-Station) nach Paris (Gare du Nord) und London (Waterloo-Station) nach Brüssel (Brussels Midi). Die Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Brüssel wurde am 14. Dezember 1997 fertiggestellt und ermöglicht nun eine Reisezeit von 2 Stunden und 40 Minuten zwischen London und Brüssel.
Die Reisezeit von Paris nach London beträgt laut EUROSTAR-Betreiberfirma zur Zeit 3 Stunden. Auf französischer Seite nutzt der Eurostar das vorhandene Hochgeschwindigkeitsnetz. Hier können die Züge mit einer Geschwindigkeit von bis zu 300 km/h verkehren, im Eurotunnel beträgt die Maximalgeschwindigkeit 200 km/h. Auf britischer Seite wird lediglich eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit von 100 km/h erreicht, da hier der Ausbau zu einer Hochgeschwindigkeitsstrecke (dem Channel Tunnel Rail Link) noch nicht vollendet wurde. Der späte Baubeginn liegt in der Skepsis der Briten gegenüber einer Anbindung an das Festland begründet, doch die Arbeiten wurden mittlerweile auch hier aufgenommen, die Teilstrecke vom Tunnel bis zum Stadtrand von London wurde 2003 vollendet. Danach soll bei London das neue Terminal "St. Pancras" bis zum November 2007 errichtet werden. Dann sind Reisezeiten von lediglich zwei Stunden zwischen London und Brüssel sowie 2 Stunden und 20 Minuten zwischen London und Paris möglich.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Michael Streifinger, Sebastian Bork
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2002/2007
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 22.04.2007
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